Beim Thema Fruchtbarkeit liegt der Fokus oft auf der Frau. Oftmals wird dabei jedoch überhaupt nicht beachtet, dass Ursachen und gewisse Lebensumstände beim Mann eine ebenso wichtige Rolle beim geplanten Kinderwunsch spielen. Hormonelle Dysbalancen, Lebensstilfaktoren oder Stress können die Zeugungsfähigkeit beeinflussen. In vielen Fällen bleibt das Thema Männerfruchtbarkeit jedoch lange unbeachtet. Dabei sind etwa die Hälfte aller Paare mit unerfülltem Kinderwunsch von männlichen Faktoren mitbetroffen.
Ein sensibles Thema mit vielen Facetten
Fruchtbarkeit ist kein feststehender Wert, sondern ein Zusammenspiel vieler körperlicher und psychischer Einflüsse. Bei Männern betrifft sie nicht nur die reine Spermienproduktion, sondern auch deren Qualität, Beweglichkeit und Lebensdauer. Schon kleine Störungen im hormonellen Gleichgewicht, in der Temperaturregulierung oder in den Abläufen der Spermienbildung können eine Schwangerschaft der Partnerin erschweren.
Zudem spielt die gesellschaftliche Erwartungshaltung eine Rolle. Männlichkeit wird häufig noch mit Stärke, Vitalität und Potenz verknüpft, wobei Fruchtbarkeitsprobleme dagegen kaum offen besprochen werden. Diese Tabuisierung führt oft dazu, dass Männer erst spät medizinische Hilfe suchen. Doch je früher eine Abklärung erfolgt, desto gezielter lassen sich Ursachen für Unfruchtbarkeit bei Männern behandeln oder umgehen.
Häufige Ursachen für eingeschränkte Fruchtbarkeit
Die Gründe für eine verringerte Zeugungsfähigkeit sind vielfältig. In etwa 40-50 % der Fälle liegt die Ursache für unerfüllten Kinderwunsch beim Mann. Eine eingeschränkte Fruchtbarkeit kann viele Gründe haben – körperliche, hormonelle, genetische oder auch lebensstilbedingte. Im Folgenden finden sich die häufigsten Ursachen für männliche Unfruchtbarkeit im Detail:
Spermienqualität & -Produktion
Ein zentraler Faktor für männliche Fruchtbarkeit ist die Spermienqualität, die sich aus Konzentration, Beweglichkeit und Form zusammensetzt. Abweichungen können durch genetische Ursachen, Hormonstörungen oder Infektionen entstehen. Auch ein unbemerkter Hodenhochstand in der Kindheit oder Verletzungen im Genitalbereich hinterlassen mitunter Spuren.
Auch eine verminderte oder fehlende Spermienproduktion kann Unfruchtbarkeit begünstigen. Hierbei unterscheidet man zwischen folgenden Hemmern bei der Spermienproduktion:
- Oligozoospermie: Zu wenige Spermien werden produziert. Eine normale Spermienzahl liegt bei etwa 15 Millionen Spermien pro Milliliter Ejakulat.
- Azoospermie: Keine Spermien im Ejakulat, obwohl der Mann Spermien produziert. Dies kann auf eine Blockade der Samenleiter oder ein Problem in den Hoden zurückzuführen sein.
Mögliche Ursachen für eine verminderte Spermienproduktion oder Qualität der Spermien können Hormonelle Störungen, wie etwa ein Ungleichgewicht von Testosteron oder anderen Hormonen sein. Krankheiten, wie Mumps, können die Hoden schädigen und die Spermienproduktion beeinträchtigen. Auch Harnwegs- oder Geschlechtskrankheiten (wie Chlamydien) können zu Entzündungen und Vernarbungen führen.
Varikozele
Zu den verbreitetsten körperlichen Ursachen zählt die Varikozele – eine Krampfader im Bereich des Hodens, die den Blutabfluss stört und die Temperatur erhöht. Diese Überwärmung beeinträchtigt die Spermienproduktion. Die Varikozele entsteht typischerweise durch eine Schwäche der Venenklappen, welche eigentlich den Rückstrom des Blutes verhindern sollen. Es gibt zwei Formen: Die primäre (idiopathische) Varikozele ist meist durch defekte Venenklappen oder eine schlechte anatomische Einmündung der Venen bedingt. Die sekundäre (symptomatische) Varikozele wird durch andere Erkrankungen verursacht, zum Beispiel Tumore oder vergrößerte Lymphknoten, die die Blutabflusswege behindern. Oft verursacht die Varikozele keine Beschwerden. Wenn Symptome auftreten, sind dies meist eine leichte Schwellung oder sichtbare/tastbare Krampfadern am Hodensack bzw. ein Schwere-, Druck- oder Ziehgefühl im Hoden. Bei einigen Männern können auch gelegentliche Schmerzen, vor allem beim Stehen, Sitzen oder Sport auftreten. Behandelt werden kann die Varikozele mittels operativem Eingriff (Verödung oder Abschnürung der betroffenen Vene).
Chronische Erkrankungen & genetische Ursachen
Ebenfalls relevant sind chronische Erkrankungen wie Diabetes, Schilddrüsenprobleme oder Leberfunktionsstörungen, die indirekt auf den Hormonhaushalt wirken können.
Genetische Faktoren können die Spermienproduktion oder -qualität beeinträchtigen. Häufige genetische Ursachen sind u.a. das Klinefelter-Syndrom. Männer mit diesem Syndrom haben zusätzlich ein X-Chromosom (XXY statt XY). Eine genetische Veränderung auf dem Y-Chromosom kann ebenfalls zu einer verringerten Spermienzahl führen. Männer mit der genetischen Erkrankung Mukoviszidose haben häufig eine Blockade der Samenleiter, was die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigt.
Wenn Hormone aus dem Gleichgewicht geraten
Hormone steuern nahezu alle Prozesse der Fortpflanzung. Testosteron, FSH (Follikelstimulierendes Hormon) und LH (Luteinisierendes Hormon) spielen hier eine Schlüsselrolle. Liegt eine Störung in der Hormonachse zwischen Hypothalamus, Hypophyse und Hoden vor, kann die Spermienproduktion ins Stocken geraten.
Solche hormonellen Dysbalancen haben unterschiedliche Ursachen, wie etwa genetische Faktoren oder Medikamentennebenwirkungen. Auch chronischer Stress kann die Testosteronproduktion hemmen, da der Körper in Daueranspannung andere Prioritäten setzt. Gleichzeitig beeinflusst Schlafmangel die Hormonregulation negativ, was über längere Zeiträume die Fruchtbarkeit mindert.
Ein Hormoncheck schafft hier Klarheit. Durch die Bestimmung zentraler Werte lässt sich erkennen, ob eine Unter- oder Überfunktion vorliegt und ob eine Behandlung, etwa durch Hormontherapie, sinnvoll sein könnte.
Bedeutung der Lebensweise
Nicht zu unterschätzen sind auch äußere Einflüsse: Rauchen, Bewegungsmangel oder Übergewicht senken nachweislich die Spermienqualität. Auch die ständige Nutzung von Laptops auf dem Schoß oder zu enge Kleidung kann die Temperatur im Hodenbereich erhöhen und somit für eine verminderte Qualität der Spermien sorgen.
Während körperliche Ursachen oft klar benennbar sind, zeigt sich der Einfluss des Lebensstils eher schleichend. Studien belegen, dass Stress, unausgewogene Ernährung und Umweltgifte die Spermienqualität reduzieren können. Eine ausgewogene Lebensweise mit regelmäßiger Bewegung, nährstoffreicher Kost und ausreichend Schlaf wirkt sich dagegen positiv aus.
Auch psychologische Aspekte spielen eine Rolle. Der Druck, „funktionieren“ zu müssen, kann die Libido und damit die Chancen auf eine natürliche Empfängnis senken. In Partnerschaften entsteht häufig ein Kreislauf aus Enttäuschung und Schweigen, der zusätzlichen Stress erzeugt. Offene Gespräche und gemeinsame Arztbesuche können helfen, diesen Kreislauf zu durchbrechen.
Medizinische Untersuchungen und Diagnostik
Ein Spermiogramm oder Hormoncheck liefert erste Hinweise, ob körperliche oder funktionelle Gründe vorliegen. Das Spermiogramm ist meist der erste Schritt: Es untersucht Spermienzahl, Beweglichkeit und Form. Eine zweite Probe nach einigen Wochen dient der Absicherung, da die Spermienproduktion natürlichen Schwankungen unterliegt.
Bei auffälligen Werten folgt oft eine weiterführende Diagnostik. Dazu zählen Ultraschalluntersuchungen der Hoden, hormonelle Analysen oder genetische Tests. In manchen Fällen lässt sich auch durch eine einfache operative Korrektur, etwa bei einer Varikozele, die Fruchtbarkeit verbessern.
Parallel dazu kann eine Beratung über mögliche unterstützende Maßnahmen erfolgen – von gezielter Ernährung bis hin zu medizinisch assistierten Methoden wie Insemination oder IVF, sofern eine natürliche Empfängnis unwahrscheinlich bleibt.
Perspektiven für Paare mit Kinderwunsch
Ein unerfüllter Kinderwunsch betrifft immer beide Partner. Statt Schuldzuweisungen braucht es gemeinsame Offenheit und Geduld. Medizinische Abklärung, psychologische Unterstützung und ein respektvoller Umgang miteinander sind entscheidend, um den Druck zu mindern.
Auch wenn die Diagnose „männliche Infertilität“ zunächst belastend wirkt, bieten moderne Medizin und Forschung zahlreiche Ansätze, um Ursachen zu behandeln oder zu umgehen. Wichtig ist, die Situation als gemeinsames Projekt zu begreifen und nicht als persönliches Versagen.
Während Paare auf erste Anzeichen einer Schwangerschaft hoffen, lohnt es sich, mögliche Ursachen frühzeitig abklären zu lassen. Je offener das Thema Fruchtbarkeit auch in der Öffentlichkeit behandelt wird, desto geringer werden Scham und Unsicherheit. Männergesundheit rückt so Stück für Stück stärker in den Fokus als wichtiger Bestandteil von Partnerschaft, Vertrauen und Zukunftsplanung.
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