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Der Weg des Kindes durch den Geburtskanal

Diese Phase bedeutet für das Kind, den Übergang von der Gebärmutter in das mütterliche Becken zu finden, den Übergang vom Geschobenwerden ins selbst Aktivwerden, durch das Nach-unten-Rutschen und Drehen des Köpfchens. Das Kind muss im engen mütterlichen Becken, das aber mit Muskulatur weich gepolstert ist, mit seinem Kopf eine Vierteldrehung und eine extreme Beugung durchführen, um den Übergang aus der Gebärmutter in die Beckenhöhle zu schaffen und schließlich durch den Geburtskanal nach draußen zu finden. Vielen Kindern gelingt dieser Übergang vom Beckeneingang in die Kreuzbeinhöhle spielend, sehr viele suchen diesen Weg bereits von Beginn der Eröffnungswehen an, während andere wirklich erst bei fast geöffneter Gebärmutter erkennen, dass sie sich auf den Weg nach unten machen müssen. Dies bedeutet für uns Menschen, dass der Weg ins Leben verbunden ist mit »herunterkommen« und »sich beugen müssen«, um das Licht der Welt zu erblicken.

 

Der Weg des Kindes durch den Geburtskanal – die erste Erfahrung mit dem Leben

Dass dies kein einfacher Weg ist, können bestimmt viele Erwachsene nachvollziehen. Sicherlich aber ist es gut, dass unser Weg in das Leben so beginnt. Dies gibt uns die Gewissheit im Leben, dass wir auch Tiefen durchwandern können, dass sie genauso dazugehören wie die Höhen. Die Übergangssituation bedeutet für das Kind Enge und Ungewissheit, aber auch die Kraft zu spüren, dass die Gebärmutter es schiebt und vorwärts drängt. Genauso geht es Menschen, die sich in einem Tief des Lebens befinden, sie müssen von ihren Mitmenschen gehalten und geschoben werden, um vorwärts zu kommen. Selbstverständlich gibt es Menschen, die sich mit eigener Kraft und fast spielerisch in tiefen Lebensphasen schnell wieder erholen und nach oben und vorwärts streben. So gibt es natürlich auch Kinder, die den Weg der Übergangssituation schnell hinter sich bringen. Sie »stürzen« sich in die Tiefe und überwinden diese Phase mit nur einigen Wehen. Dieser Übergangsmoment ist häufig hörbar am Absinken der kindlichen Herztöne und erkennbar an den Worten der Hebamme: »Aha, der Eintrittseffekt, keine Sorge, das Kindchen erholt sich gleich wieder, jetzt haben Sie es gleich geschafft, die Geburt geht dem Ende entgegen. Bestimmt verspüren Sie gleich einen Drang zum Mitschieben.«

Damit will ich sagen, dass diese Geburtssituation sicherlich auch vom Verhalten des Kindes abhängt. Es kann sein, dass Sie als Gebärende diese Übergangsperiode gar nicht registrieren, da es nur ganz wenige Wehen waren und Sie vom Pressdrang fast überrascht werden. Möglich ist aber auch, dass dieser Abschnitt der Geburt sehr lange dauert, sich hinzieht über ein oder zwei Stunden, noch mal sehr viel Geduld verlangt und dass Sie sehnsüchtig auf das Gefühl des Schiebens warten müssen. Oft ist es sogar so, dass die Hebamme Sie unterstützt, indem sie mit der untersuchenden Hand während einer Wehe den Muttermund über den Kopf des Kindes schiebt und Sie einfach zu einem Pressversuch auffordern wird.

Sie werden als Mutter später erzählen, dass Sie selbst gar keinen Drang für die letzte Austreibungsphase erlebt haben. Wann und ob überhaupt so ein Tätigwerden der Geburtshelferinnen notwendig wird, ist nicht vorherzusagen. Sie sollten Vertrauen haben, dass eine Hebamme zur richtigen Zeit abwarten kann und zur rechten Zeit einschreiten wird. Ich muss zugeben, dass diese Geburtsphase für mich als Hebamme immer wieder eine Zeit der höchsten Konzentration darstellt, denn hier heißt es für mich sowohl Zurückhaltung zu üben, als auch die Gebärende nicht unnötig lange diesen massiven Wehen auszusetzen. Übergangsphase bedeutet für mich ein Abwägen zwischen dem Zutrauen in den Selbsthilfemechanismus einer Frau und dem rechtzeitigen Eingreifen, um Mutter und Kind nicht unnötig in eine Gefahrensituation und einen unnötigen Kräfteverlust hineinzumanövrieren.

 

Es ist oft nicht einfach, den Frauen in diesem Moment zu helfen, doch ich meine, alle Geburtshelfer sollten zum Ende einer Geburtsphase genauso geduldig sein, wie am Anfang, um einem Kind und einer Frau zu ermöglichen, »es alleine zu schaffen«. Manchmal habe ich den Eindruck, dass bereits in der Übergangsphase ein Kind seinen wahren Charakter zeigt, dass es schnell und entschlussfreudig selbst durch den Geburtskanal rutscht oder sich langsam, aber sicher auf den Weg macht oder gar alle Arbeit seiner Mutter überlässt.

 

Autor: Ingeborg Stadelmann

Fotocredit: labden/Shutterstock.com

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